Ein Gedankenspiel: Was würden die Tarifergebnisse der Länder (TV-L) für Hessen bedeuten?

Ein Gedankenspiel: Was würden die Tarifergebnisse der Länder (TV-L) für Hessen bedeuten?
"Miete, Rechnungen, Kinderbetreuung, Vertragsverlängerung, ... – Wie soll ich das alles schaffen?" unter_bau kennt die Antwort: Goethe braucht Tarif! | Bild: wikimedia.

Die Beschäftigten der Goethe-Universität Frankfurt haben die Inflation in den letzten Jahren im eigenen Portemonnaie gespürt: Gegenüber 2020 ist unser aller Leben um ca. 20 % teurer geworden. Nun stehen wieder Tarifverhandlungen an. Die Hochschulgewerkschaft unter_bau zeigt im Gedankenspiel auf: Was würden die Tarifergebnisse der Länder (TV-L), die ver.di und GEW Mitte Dezember vorstellten, konkret für die Kolleg*innen in Hessen und an der Goethe-Uni bedeuten?

von AYLINE AULWURF

Mitte Dezember veröffentlichten die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di)1 und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)2 ihre Ergebnisse aus der Tarifverhandlung mit dem Arbeitgeberverband der Länder (TV-L). Obwohl dieses Ergebnis nicht direkt für die Beschäftigten des Landes Hessen und der Goethe-Universität gilt, wird es dennoch eine entscheidende Rolle bei den nun anstehenden Tarifverhandlungen für den TV-H (Tarifvertrag für die Beschäftigten des Landes Hessen) und den TV-G-U (Tarifvertrag für die Beschäftigten an der Goethe-Universität, ausgenommen studentische Hilfskräfte) spielen. In dem folgenden Gedankenspiel möchten wir dieses Ergebnis einmal auf unsere Verhältnisse übertragen und betrachten, was eine solche Anpassung für uns an der Goethe-Universität bedeuten könnte.

Wenn das Ergebnis dieser Tarifverhandlungen für die Goethe-Universität übernommen werden würde, würde dies für uns Folgendes bedeuten: Neben einer Inflationsausgleichsprämie (3000 € einmalig sowie steuer- und abgabenfrei)3, die bis einschließlich Oktober diesen Jahres voll ausbezahlt wird, gäbe es eine pauschale Entgelterhöhung um 200 € zum 01. November 2024 und eine prozentuale Erhöhung von 5,5 % zum 01. Februar 2025. Weitere Verbesserungen oder gar ein Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte (TVStud) würde es nicht geben.

Doch was würde dies ganz konkret heißen?

Für eine Vollzeitstelle in der Entgeltgruppe 5 (Stufe 1) würden die 200 € zum 1. November diesen Jahres eine Erhöhung von ca. 7,5 % bedeuten. Für eine Vollzeitstelle in der Entgeltgruppe 9 wären dies noch ca. 6,3 % und in der Entgeltgruppe 13 nur noch ca. 4,7 %. Zusammen mit den 5,5 %, die zum 1. Februar 2025 dazu kommen, wären es für die drei Entgeltgruppen insgesamt zwischen 10,47 % und 13,44 % mehr Lohn. Auch wenn diese Zahlen ungewöhnlich hoch klingen mögen, bleiben sie doch deutlich hinter der prognostizierten Inflationsentwicklung bis Ende 2024 zurück, mehr noch: aufgrund der Laufzeit von 25 Monaten muss auch die für 2025 prognostizierte Inflation (ca. 2,1 %4) mitberücksichtigt werden. Eine Übertragung der Ergebnisse aus der Tarifrunde mit den Ländern (TV-L) würde für uns in Hessen und an der Goethe-Universität daher weiterhin einen deutlichen Reallohnverlust von ca. – 3,2 % (E5, Stufe 1) bis zu ca. – 5,75 % (E13, Stufe 1) zum Referenzjahr 2020 bedeuten.

Beispielrechnung für die Entgeltgruppe 9 (Stufe 1): 200 Euro + 5,5 %

Jahr (Referenz 2020 — > T = 0) Inflationsraten (Durchschnitt) Lohnerhöhungen (E9) Real-lohnentwicklung kumuliert (E9)
Preissteigerung zum Vorjahr Preissteigerung kumuliert Lohnsteigerung zum Vorjahr Lohnsteigerung kumuliert
2021 3,10% 103,10% 1,40% 101,40% -1,65%
2022 7,90% 111,24% 2,20% 103,63% -6,84%
2023 5,90% 117,81% 1,80% 105,50% -10,45%
2024 2,80%* 121,11% 6,29%** 112,13% -7,41%
2025 2,10%* 123,65% 5,50%** 118,30% -4,33%
Kumuliert 123,65% 118,30% -4,33%

* aktuelle Prognose
** Übertragung der Ergebnisse aus der Tarifverhandlung mit den Ländern (ohne Hessen)

Unser Präsident, Prof. Dr. Enrico Schleiff, hat in den letzten Jahren oft betont, wie sehr er uns Mitarbeitenden für unser außerordentliches Engagement und den täglichen Einsatz für die Goethe-Universität dankt. Sowohl in der Corona-Krise als auch darüber hinaus hebt er auf ideeller Ebene den Wert unserer Arbeit für die gesamte Funktionalität und die Erfolge der Goethe-Universität hervor. Jetzt, in den kommenden Verhandlungen, muss unser gesamtes Präsidium – insbesondere Präsident Schleiff und unser neuer Kanzler, Dr. Ulrich Breuer, – zeigen, dass dies nicht nur leere Worte waren und sein werden. Soll es nicht bei Worthülsen bleiben, muss der ideellen Wertschätzung nun auch eine materielle folgen. Um ihnen genau zu verdeutlichen, was dies bedeutet, wurde in der ersten Ausgabe der Zeitschrift „Angry Goethe5 ausführlich dargelegt, welche Erwartungen die Promovierenden sowie die wissenschaftlichen und administrativen Beschäftigten der Goethe-Universität im unter_bau haben:

Wir fordern monetär einen vollen und dauerhaften Inflationsausgleich durch eine Entgelterhöhung von 15 Prozent, mindestens 650 Euro brutto mehr und einen Großstadtzuschlag von 150 Euro!

Darüber hinaus fordern wir:

  • eine Anhebung der unbefristeten Beschäftigung bei den wissenschaftlichen Angestellten
  • eine Abschaffung der Entgeltgruppen E1 bis einschließlich E6
  • sowie solidarisch einen ordentlichen Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte (TVStud) (keine Nebenabrede, keine schuldrechtliche Vereinbarung, keine Selbstverpflichtung, keinen Kodex, nein: einen Tarifvertrag).

Alle Beschäftigten, die diese Forderungen teilen, rufen wir daher auf: Nutzt euer Grundrecht auf eine Arbeitnehmer:innen-Koalition, organisiert euch mit euren Kolleg*innen und tretet für euch selbst und solidarisch für eure Kolleg*innen und Beschäftigten ein. Folgt den Versammlungs- und Streikaufrufen der Gewerkschaften und gebt diesen Forderungen Nachdruck. Denn um mehr zu erreichen als im TV-L, braucht es mehr Power an der GU und in Hessen.

Alle Beschäftigten, die diese Forderungen nicht teilen, rufen wir dagegen dazu auf, mitzuteilen, was für euch wichtig ist. Sagt laut, was eure Anliegen sind und tretet mit uns und euren direkten Kolleg*innen ins Gespräch darüber ein, unter welchen Bedingungen ihr arbeiten wollt und was für euch eure Arbeitsleistung wert ist.

Wir sehen uns auf dem Campus!

Dieser Beitrag erscheint im Rahmen unserer Gewerkschafts-Zeitschrift “Angry Goethe. Zeitschrift für Arbeit und Leben an der Goethe-Universität.”, ein Projekt der Plattform Promovierender und adminstrativ-technischer Beschäftigter im unter_bau. Kontakt zur Redaktion per Mail an angry.goethe[at]unterbau.org

 

 

Fußnoten:

1 ver.di: „Tarifrunde der Länder: ver.di-Bundestarifkommission stimmt Verhandlungsergebnis zu“; verfügbar unter: https://www.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++dd7953e0-b484-11ee-a820-6d6f19caf724; zuletzt geprüft am 23.01.2024.

2 GEW: „Das bedeutet der Abschluss für dich“; verfügbar unter: https://www.gew.de/mehr/das-bedeutet-der-abschluss-fuer-dich; zuletzt geprüft am 23.01.2024.

3 Da die Inflationsausgleichsprämie wie ihr Name schon sagt, nur als Ausgleich für die inflationsbedingten Mehrbelastungen der vergangenen Jahre gesehen werden kann, wird diese im Folgenden nun nicht weiter berücksichtigt.

4 Für den Schätzwert wurde der Durchschnitt aller hier verfügbarer Prognosen gebildet: https://www.mehrwertsteuerrechner.de/inflation/inflation-deutschland/prognose/#:~:text=In%20der%20aktuellen%20Prognose%20der,von%202%2C3%25%20aus.; Zuletzt geprüft am 28.01.2024.

5 Aulwurf, Ayline (2023): „Inflation und Lohnentwicklung an der Goethe-Universität: mindestens 650 Euro brutto mehr“ in: unter_bau (Hrsg.), Angry Goethe: Zeitschrift für Arbeit und Leben an der Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, 2023; S. 6-8; verfügbar unter: https://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/opus4/frontdoor/deliver/index/docId/75973/file/231118_unterbau_Zeitung_Mobil_RZ.pdf, zuletzt geprüft am: 29.01.2024.

Bildquelle: Goethe (Stieler 1828, Public Domain). https://commons.wikimedia.org/wiki/Johann_Wolfgang_von_Goethe#/media/File:Goethe_(Stieler_1828).jpg, zuletzt geprüft am: 05.02.2024.