Feministische Gala füllt Casino-Festsaal

Feministische Gala füllt Casino-Festsaal
Der gut gefüllte Festsaal im Casino

Mit einer “Feministischen Gala” verzauberten feministische Gruppen am Montagabend, den 23. April, den Campus der Goethe-Universität. Über 300 Gäste erschienen zu den Feierlichkeiten im Festsaal des Casinos. Die Veranstalter*innen der Hochschulgewerkschaft unter_bau, der Feministischen Philosoph_innen, der Zeitschrift Fem.omene und des AutonomenFrauen*Lesben Referats waren überwältigt von dem großen Zuspruch.

Die Soziologin Katharina Hoppe bei ihrem wissenschaftlichen Beitrag (Bild: ©Martina Sander)

Eröffnet wurde der Abend mit Sekt und Schnittchen. Die Soziologin Katharina Hoppe stimmte in das Bühnenprogramm mit einem Vortrag über die männlich konnotierte Kategorie des “Genies” in der Wissenschaft ein. Laut Hoppe gilt es, diese “zu überwinden, da viele alltagssexistische, aber auch darüber hinausgehende sexualisierte Gewalt, in Vorstellungen von ‘der Frau’ resultieren, die sie als inferior, als ‘nur fleißig’, als Person, die nichts Eigenes produziert, setzen”. Am Ende des Inputs ruft sie “Genie, nein danke!” und lehnt das dominante Narrativ über ‘Frauen, die es auch können und schaffen’ ab. Sie fordert kritische Reflexion und Mut, um kollektiv neue Strukturen zu schaffen und sich als Frauen* in der Wissenschaft stärker zu vernetzen.

Nach diesem ersten Plädoyer folgte eine Lesung von anonymen Erfahrungsberichten über diverse sexistische Erlebnisse von Frauen sowie auch Transpersonen am Campus. Diese zeigten, dass Sexismus statusgruppenübergreifend ist und die Übergriffe überall – in Seminaren, Bibliotheken, Unifluren, PC-Räumen und an Bushaltestellen – geschehen. Viele der Anwesenden äußerten daraufhin Betroffenheit über das Ausmaß der Erlebnisse und die Tatsache, dass Sexismus viel eher alltäglich als vereinzelt auftritt: “Frauen werden in der Bibliothek oder an der Bushaltestelle angesprochen und zugelabert”, bemerkte Masterstudent Jannis erschüttert. “Ihre Signale des Desinteresses oder der Ablehnung werden häufig ignoriert. Selbst wenn in solchen Situationen nichts ‘Schlimmes’ passiert, ist das Sexismus: Denn ich als Mann muss so etwas nicht erdulden.”

Attenzione! Die Preisverleihung beginnt (Bild: ©Martina Sander)

Nach einer Pause begeisterten poetische Slam-Beiträge die Zuschauenden. Sie thematisierten unterschiedlichste Diskriminierungen, wie zum Beispiel das Verweisen von stillenden Müttern aus Hörsälen, die Einschränkungen der Religionsfreiheit von Lehramtsstudentinnen oder die übergriffigen Anmachen von Pick-Up-Artists auf dem Campus. Den Höhepunkt der Gala bildete die humoristische Preisverleihung des “Worst of Uni Sexism-Award” durch die satirische „Forschungsstelle für exzellente Gleichberechtigung“. Der Award ging an die Goethe-Universität als Gesamtinstitution. Die Entscheidung der Jury basierte auf quantitativen Erhebungen, die unter anderem beziffern, dass die selbsternannte “familienfreundliche Universität” für über tausend Kinder von Universitätsangehörigen – über 1.800 Kinder allein von Studierenden – gerade einmal 144 Kita-Plätze zur Verfügung stellt. Dies allerdings fast  ausschließlich für Kinder von Mitarbeitenden.

Auch anhand eines Geschlechterungleichheitsindices (GCI) zeigte sich, dass die Goethe-Uni im bundesweiten Vergleich schlecht abschneidet. Im Falle einer gegebenen Geschlechtergleichheit läge der GCI bei einem Wert von 1; ein Wert, der darunter liegt, würde auf eine Mehrzahl von Frauen hinweisen. Faktisch ist aber eher das Gegenteil Programm: Ein Beispiel lässt sich hierbei an der Medizin (GCI 3,08; Stand 2016)  und Biochemie (GCI 5,59; Stand 2016) konstatieren, deren jeweiliger GCI sich zwar errechnen lässt, sich mit der hohen Anzahl an männlich besetzten Professuren aber nur unwesentlich von der Katholischen Theologie unterscheidet, die ohne eine einzige weibliche Professur aufwartet und deren GCI daher nicht ermittelt werden kann. Für Doktorandin Alev zeigt das: “Die hierarchische Struktur der Uni benachteiligt Frauen* eben systematisch. Während viel mehr Frauen* studieren und promovieren, dreht sich das Verhältnis bei den Professuren plötzlich um. Das ist nicht hinzunehmen.”

Kann sich sehen lassen: Der Hauptpreis (Bild: ©Martina Sander)

Abschließend subsumierte die Jury der Preisverleihung die Strategie hinter der “exzellenten” Gleichberechtigung der Goethe-Uni unter folgendem Credo: “Die Elite wird also rausgefischt, gefunden, gefördert und jede Person hat die Chance, dazu zu gehören. Vorausgesetzt die Leistungen stimmen.” Damit wird Gleichberechtigung nicht in einer wirklichkeitsnahen Art gefördert, sondern scheint eher als ein künstliches Konstrukt, um Karrierefeminismus als erstrebenswert zu verkaufen. Anhand der Formulierungen des Diversity-Konzeptes der Uni wird klar, dass das Verständnis von Vielfalt vor allem durchschlagende Leistungen fördert, um im internationalen Vergleich herauszustechen. Das heißt, unter Minderheiten wie beispielsweise Leistungssportler*innen oder Studierende mit „geringen finanziellen Ressourcen“ müssen diejenigen mit ‚Potential‘ unterstützt werden.

Zeit also, dass die Goethe-Universität Sexismus auch jenseits strafrechtlich relevanter Kategorien erkennt und bekämpft. “Sonst tun wir das eben selbst”, verkündete Rike, eine der Veranstalter*innen entschlossen. “Wir haben gemerkt, dass Zertifikate, Frauenförderung oder Quoten nichts grundsätzlich an unserer Lage verbessern und deshalb eine feministische Gewerkschaft gegründet, die durch verschiedene Formen des Arbeitskampfs Druck aufbaut und dadurch tatsächlich etwas zu ändern vermag”, erklärte eine der Gründer*innen von unter_bau am Ende des Abends.

Der gut gefüllte Festsaal im Casino (Bild: ©Martina Sander)

Das überfüllte Casino und die begeisterte Resonanz der Besucher*innen ist ein Signal, dass seit den vermehrt publik gemachten Sexismuserfahrungen an der Goethe-Universität Redebedarf über eigens erfahrene Diskriminierungen und möglichen Handlungsoptionen besteht. Die Feministische Gala war eine gelungene Veranstaltung, um unterschiedliche Erfahrungen und Herangehensweisen zusammenlaufen zu lassen und zu mehr Vernetzung und Organisation aufzurufen.

Organisator*innen der Feministischen Gala