Nachruf zum 1. Mai

Nachruf zum 1. Mai

Das Stichwort ist Krise – wir haben es in den letzten Jahren immer wieder gehört. Aber während für die einen, die Krise(n) unvermeidbare Naturkatastrophen sind, die stoisch hingenommen werden sollen, gar „dornige Chancen“, die mit „mehr Bock auf Arbeit“ überwunden werden können – bedeuteten diese Krisen für viele andere, noch mehr Prekarität, Unsicherheit, gar Existenzängste. Die Krise treffe uns alle, so die gängige Rede, aber die Auswirkungen auf die einen sind diametral denen der anderen entgegengesetzt. Großkonzerne schütten Rekord-Dividenden aus, während andere nicht Mal mehr ihre Miete zahlen können.

Die Tendenz, einer immer stärker werdenden sozialen Segregation, die wohlbekannte Schere zwischen Arm und Reich, schlägt sich auch im Bildungssystem nieder, welches diese Tendenz nicht nur nicht mildert, sondern auch noch bestärkt. Wir wissen es von den Kolleg*innen an den Kitas und den Schulen, wo das fehlende Personal, die fehlende Wertschätzung der geleisteten Arbeit, letztendlich dazu führt, dass das Betreuungsangebot schrumpft – die Leidtragenden sind jene, die nicht auf finanzielle und familiäre Ressourcen zurückgreifen können.

Auch an den Universitäten schlägt sich dies nieder – nur scheint es, dass hier die Krise zum Dauerzustand geworden ist. Bologna und Pisa-Studie, Begriffe, die für neoliberale Reformen im Hochschulsystem gleichermaßen stehen wie dessen sukzessiver Abbau von Vielfalt und Interdisziplinarität zugunsten von Marktinteressen und Optimierungsdruck. Befristete Verträge sind hier der Normalzustand: mehr als 80 % der Wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen haben einen befristeten Vertrag; Studentische Hilfskräfte hangeln sich von dem einen 6. Monatsvertrag zum Nächsten (und dies auf dem Mindestlohnniveau) Kita-Betreuung für Student*innen: Fehlanzeige – während Reinigungskräfte und Security outgesourct werden. Die Goethe Universität begreift dies nach ihrem sogenannten Kodex als „gute Arbeit“. Für die Lebensrealität von Angestellten und Student*innen an der Uni bedeutet dies jedoch: Wissenschaftliches Arbeiten wird zu Frage, ob man es sich leisten kann oder nicht. Es ist nicht die Frage, ob wir mehr oder weniger „Bock“ haben, es ist die Frage, ob wir das Durchhaltevermögen und die finanziellen Ressourcen haben, um unter diesen Bedingungen zu arbeiten.

Wir von unter_bau sagen Nein zu dieser Universität. Wir wollen eine Universität, wo der Regelzustand gute Betreuungsverhältnisse und unbefristete Arbeitsverhältnisse sind; wo die demokratische Mitbestimmung radikal erweitert wird; eine, die sexistischen, rassistischen und antisemitischen Strukturen entgegenwirkt, statt diese durch Polizeieinsätze und Einladungen à la Boris Palmer noch zu bestärken. Für diese Universität von Morgen werden wir weiter kämpfen und gehen auch heute dafür auf die Straße!