Lesekreis: Walter Benjamin und seine Politik des „neuen Barbarentums“

Donnerstags, alle 14 Tage, um 19 Uhr (Wintersemester 2022/23)

Benjamins Schreiben bleibt ersatzlos. Mag er auch keine Theorie der Masse(n) – wie sein Zeitgenosse Siegfried Kracauer – vorgelegt haben, so rief Benjamin immer wieder die Wirkmächtigkeit von Kollektivität an. Allein visierte er dabei nicht im Geringsten das bloße Da-Sein einer Gemeinschaft an, sondern bestimmte Arten von Gemeinschaftlichkeit – distinkte Praxen, sich gemeinsam zu machen. Denn für Benjamin ist kollektive Praxis in entscheidender Weise historisch situiert.
Erfahrung und Armut stellt den Kulminationspunkt dieser Tendenz seines Schreibens dar: 1933, im ersten Jahr von Benjamins Exil, beschwört er hier einen „neuen, positiven Begriff des Barbarentums“. Um einerseits der Erfahrung der Moderne gerecht zu werden, andererseits die Möglichkeit einer revolutionären Aktion zu erkämpfen, muss die Gemeinschaft, so Benjamins These, sich ihrer bürgerlich-humanistischen Kultur, wenn nicht gar Identität, entledigen. Der Vorschlag, den er im Jahr der nationalsozialistischen Machtergreifung unterbreitet, geht so mit einer Affirmation radikal destruktiver Politik einher.

Zum einen wollen wir uns im Lesekreis den Argumentationen Benjamins möglichst präzise annähern. Zum anderen wollen wir in aktualisierenden Lektüren, die Distanz zu Benjamins Schreibsituationen, sowohl seinen persönlichen – als hochschulpolitisch aktiver Student, in relativer Armut lebender Autor, verfolgter Jude – als auch den gesellschaftlichen, bemessen.

Vorläufige Literaturliste: „Erfahrung“ (1913), Brief an Martin Buber (17.7.1916), Neapel (1925), Der destruktive Charakter (1931), Erfahrung und Armut (1933), Irving Wohlfarth: Entsetzen. Walter Benjamin und die RAF (2006) / Zur Kritik der Gewalt (1921)

Erstes Treffen: 22.09.2022, 19 Uhr (Weitere Termine: 06.10., 20.10., 03.11., 17.11., 01.12., 15.12., 12.01., 26.01.)
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