Was bisher geschah: Gewerkschaftliche Bildungsarbeit im unter_bau

Was bisher geschah: Gewerkschaftliche Bildungsarbeit im unter_bau
Studierendenproteste 2012 in Québec (Kanada)

Schulung wird im unter_bau groß geschrieben. Ein ambitioniertes Basisprojekt wie das unsrige erfordert, eine Reihe von Schlüsselkompetenzen möglichst breit unter den Mitgliedern herauszubilden. Dies funktioniert einerseits über die alltäglichen, kollektiven Lernprozesse. Etwa die Aneigung von Wissen, wie in einer horizontalen Organisation Entscheidungsstrukturen möglichst effizient ausgestaltet und genutzt werden. Oder die Entwicklung eines Verständnisses davon, wie sich eine Organisation aufbauen und strategisch etablieren lässt.  Daneben führen wir immer wieder Workshops zu konkreten Arbeitsfeldern durch. Dieser Beitrag soll Einblicke in die bisherige Bildungsarbeit der Initiative ermöglichen.

IWW-Organizer Erik Forman
IWW-Organizer Erik Forman

Bereits zwei Mal hatten wir Erik Forman zu Gast, einen Organizer der Basisgewerkschaft Industrial Workers of the World (IWW). Forman, zurzeit Lehrer in einer New Yorker Schule, hat einige Zeit im Gastronomiebereich gearbeitet und dabei die Starbucks Workers Union und die Jimmy Johns Workers Union mitaufgebaut. Aufbauend auf seinen Erfahrungen, führte er mit unseren Mitgliedern bei beiden Besuchen eine Schulung in Methoden des Organizing durch, die folgenden Inhalt hatte:

Mehr als Aktivismus – den Umschwung organisieren: Wie kann eine kleine Gruppe ihr Umfeld verändern? In diesem Seminar werden die Teilnehmenden alle Schritte lernen, die zum Aufbau einer kämpferischen Hochschulgewerkschaft nötig sind. Los geht es am Nullpunkt der Organisierung, wo vereinzelte Leute sich organisieren wollen; und es endet bei der Etablierung funktionierender Strukturen. Abgedeckt werden die Phasen einer Organisierungsinitiative, der Herstellung von Kontakten, der Betriebsrecherche für ein Verständnis der Probleme und Dynamiken, der informelle Aufbau eines breit gefächerten Organisierungskomitees, die Gewerkschaftsgründung, die Vorbereitung auf Schritte der Gegenseite, das Gewinnen von Mitgliedern, die Aufnahme von direkten Aktionen und die Öffentlichkeitsarbeit.

Auch bot Forman unseren Mitgliedern einen Vortrag über studentische Kämpfe in Québec (Kandada), wo er eine Zeit lang die florierende und schlagkräftige Studierendengewerkschaft Association pour une Solidarité Syndicale Étudiante (ASSÉ) beobachtet hatte (siehe dazu auch sein Papier über “student unionism”). Diese Gewerkschaft organisierte maßgeblich den Streik von 400.000 Studierenden, der 2012 die neoliberale Regierung zu Fall brachte und zur Rücknahme der geplanten Studiengebührenerhöhung führte. Das Konzept der ASSÈ, insbesondere ihr Ansatz, die Fachbereichsgremien durch rätedemokratische Strukturen zu transformieren, hat den unter_bau sehr inspiriert. Entsprechend wurden Vertreter_innen der Organisation auch von Mitgliedern der Initiative zu einem bundesweit organisierten und in Frankfurt stattfindenden Kongress zu politischer Organisierung an der Hochschule eingeladen, wo sie direkt von ihren Erfahrungen berichteten.

Studierendenproteste 2012 in Québec (Kanada)
Studierendenproteste 2012 in Québec (Kanada)

Für einen weiteren Workshop hatten wir Stefan Kuhnt zu Gast. Kuhnt, der unter anderem als freier Journalist gearbeitet hat, war eine Weile Pressesekretär der Freien ArbeiterInnen-Union (FAU) in Berlin, einer unabhängigen Basisgewerkschaft für alle Berufe. Gestartet als kleine Gewerkschaftsgruppe, konnte sie in den vergangenen Jahren mehrere hundert Arbeiter_Innen, insbesondere in prekären Bereichen und unter Migrant_innen, organisieren. Ihr föderaler, basisdemokratischer Ansatz und ihre besonders inklusive Ausrichtung haben den unter_bau ebenfalls inspiriert. Die FAU Berlin führte – zum Teil sehr erfolgreich – zahlreiche Arbeitskonflikte, die eine erhebliche, zum Teil bundesweite Presseresonanz erfuhren. Maßgeblich für die Erfolge der Gewerkschaft war dabei auch ihre Pressestrategie, deren Ergebnis sich in einem eindrucksvollen Pressespiegel widerspiegelt. In dem von ihm angebotenen Presse-Workshop wurden folgenden Kompetenzen vermittelt:

Vom Umgang mit den Medien: Der Umgang mit den Medien stellt Aktivist_innen vor ein Problem. Einerseits besteht das Risiko, dass die eigenen Inhalte nur verkürzt transportiert werden. Andererseits führt kein Weg an der Presse vorbei, wenn breitere Kreise für das eigene Projekt angesprochen und gewonnen werden sollen. Insbesondere in (Arbeits-)Konflikten ist mediale Aufmerksamkeit wichtig. Dieser Workshop soll Gewerkschafter_innen helfen, eine Pressestrategie in diesem Spannungsfeld zu entwickeln. Neben den Grundlagen der Pressearbeit werden vor allem konkrete Schritte der Informationspolitik vermittelt. Auch die rechtlichen Fallstricke gewerkschaftlicher Informationspolitik, die in der Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber Risiken bergen, werden behandelt.

Arbeitskampf rumänischer Bauarbeiter in der FAU Berlin
Arbeitskampf rumänischer Bauarbeiter in der FAU Berlin

Außerdem haben Mitglieder des unter_bau einen selbstorganisierten Workshop zum sicheren Umgang mit digitaler Kommunikation durchgeführt. Dabei haben wir uns in einem ersten Schritt mit den theoretischen Überwachungsmöglichkeiten in diesem Bereich beschäftigt, um anschließend Erkenntnisse über stattfindende Überwachung anhand der Gesetzeslage und Leaks zusammenzutragen. In einem zweiten, praktischen Teil des Workshops wurden technische Schutzmöglichkeiten – wie Festplatten-, Chat- und Mailverschlüsselung – behandelt und Mitgliedern geholfen, diese auf Laptops und Smartphones einzurichten. Zu den selbstorganisierten Bildungsangeboten gehörte auch eine Einführung in den Themenkomplex von Gender – Feminismus – Arbeit im Rahmen einer Klausurtagung. Hier wurden Grundbegriffe der Debatte geklärt – etwa die Differenzierung von Geschlecht und Gender, das Konzept der hegemonialen Männlichkeit sowie die Bedeutung von Hausarbeit, Care-Arbeit und unsichtbarer Arbeit –, um darauf aufbauend deren Relevanz für die Gewerkschaftsinitiative zu diskutieren.

Prof. David Graeber

Ferner nahmen Mitglieder der Initiative an einem Workshop mit Prof. David Graeber (ebenfalls Mitglied der IWW und Dozent an der London School of Economics and Politics) teil, der von der Goethe-Universität organisiert wurde und sich mit der Bürokratie an der Hochschule befasste. Auch an einem Moderationsworkshop, organisiert vom AstA, nahmen Mitglieder des unter_bau teil.

Als nächstes ist ein Seminar mit Rolf Geffken aus Hamburg geplant. Geffken ist Rechtsanwalt und spezialisiert auf kollektives Arbeitsrecht. Er vertritt mehrere alternative Gewerkschaften und wird unseren Mitgliedern eine Einführung in das kollektive Arbeitsrecht bieten. Dabei wird es ganz speziell um die Rechte und Möglichkeiten einer alternativen Basisgewerkschaft mit unserem Zuschnitt gehen.

Weitere Informationen zur bisherigen Aufbauarbeit finden sich hier.

Öffentlichkeitskomitee | unter_bau